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Polen: Drei Schicksale aus meiner Familie während des Ersten Weltkriegs

Alicja, eine Schülerin aus Krakau, erzählt uns von ihren Vorfahren

 

 

 

Dokument des Erwerbs der amerikanischen Staatsangehörigkeit

Jakub Grabowiec

 
 
 
 
 

Er ist der Vater meiner Uroma Helena.

Im August 1888 wird er in Łańcut geboren, eine Kleinstadt im Südosten Polens, die damals Teil des Österreichisch-Ungarischen Reiches war.


1905 wandert er in die USA aus.

 

1908 wird er amerikanischer Staatsbürger.

 

 

 

Hier ist das Dokument des Erwerbs der amerikanischen Staatsangehörigkeit von Jakub Grabowiec ->

 

 

 

Hochzeitsfoto 1910

 

1910 heiratet er Katarzyna Grabowiec (geboren Joniec) in der Kirche Sankt-Adalbert in Philadelphia.

 

Ihre Tochter Adelajda kommt ein Jahr später zur Welt, stirbt aber nach einigen Monaten.

 

Die anstrengende körperliche Arbeit, die Jakub in einer amerikanischen Fabrik leistet, führt bei ihm zur Erschöpfung. Er leidet unter Depression und psychischen Problemen.

 

Beide Gründe führen dazu, dass er sich entscheidet, nach Hause zu fahren, das heißt, zu seiner Familie in seine Heimat.

 

<- Hochzeitsfoto von Jakub und Katarzyna am 5. Februar 1910

 

 

Quittung

Liste

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Links: Die Quittung mit den Bestattungskosten ihres Töchterleins datiert vom 13 April 1912 in Philadelphia. Rechts: Liste der erworbenen Güter während des Aufenthalts in den USA.

 


Sechs Monate später kommt seine Frau nach Polen ihn besuchen. Sie trägt bei sich die Rückfahrkarten für die USA so wie Dollars, die sie dann Nachbarn in der Not ausleiht.

 

 

Während des Krieges


Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges macht ihre Rückkehr in die USA unmöglich. Die Rückkarten sind nicht mehr gültig, sie haben keine Ersparnisse mehr. Die Nachbarn bezahlen ihre Schulden zurück, jedoch nicht mit Dollars sondern mit der damaligen Währung, die entwertet war.


Ihr ganzes Hab und Gut besteht aus zwei Hühnern.


1915 kommt seine zweite Tochter Marysia in Polen zur Welt. Sie stirbt Anfang 2014 im Alter von 99 Jahren.

 

Foto Gefangenschaft Sibirien 1916Obwohl er auf die österreichische Staatsangehörigkeit verzichtet hat und amerikanischer Staatsbürger ist, wird Jakub eingezogen und muss für die österreichische Armee kämpfen.

1916 wird er Kriegsgefangener und in ein Lager in Sibirien geschickt.


In Sibirien – das Leben in der Gefangenschaft


1917 flüchtet Jakub mit zwei Mitgefangenen aus Sibirien. Er hatte das Glück gehabt in der Küche zu arbeiten. Dort konnte er seine Flucht vorbereiten. Jeden Tag legte er etwas zum Essen zurück (vor allem Tee oder Zucker).

  Jakub Grabowiec (stehend) in Omsk in Sibirien 1916 ->


 

 

Der Heimweg

Mein Urgroßvater konnte überleben, da er perfekt russisch und ukrainisch sprach. So konnte er leicht Arbeit finden und ein bisschen Geld für das Nötigste verdienen. Manchmal Zugkonnte er sich sogar eine Zugfahrkarte leisten, aber nur für eine kurze Strecke. Den größten Teil der Strecke ist er doch zu Fuß gegangen!

Die Rückkehr dauerte also 4 lange Jahre, vom Anfang 1917 bis Anfang 1921. Am Ende jenes Jahres kommt das dritte Kind, sein Sohn Wladyslaw zur Welt.

Bemerkung:
Einige Wochen nach seiner Flucht wirft ein ausgelaugter Kriegsgefangener einen Stein auf einen Soldaten des Roten Armee. Als Vergeltung werden darauf alle Gefangene erschossen. Seine Flucht hat ihm also sein Leben gerettet.

Meine Urgroßmutter Katarzyna hat fast 5 Jahre lang auf ihren geliebten Mann gewartet. Sie hat immer an seine Rückkehr geglaubt, auch als sognannte Zeugen seinen Tod bestätigt haben.

Haus

 

Zu Hause angekommen


Sie hatten kein Geld mehr, für eine Rückkehr in die USA. Dank der Unterstützung von Verwandten konnten sie in ein Häuschen in Chodaczow einziehen, ein Dorf im Süden Polens.
Vor dem Krieg mangelte es ihnen an nichts, nach dem Krieg wurde es für sie schwierig über die Runde zu kommen.



 

Józef Opyrchał

Er war der Vater meines Urgroßvaters Bolesław Opyrchał, diesen habe ich sogar noch in meiner Kindheit gekannt.
Józef wurde 1885 in Zelczyn geboren, ein Dorf im Süden Polens, das damals zum Österreichisch-Ungarischen Reich gehörte.
Während des Krieges diente er bei der österreichisch-ungarischen Armee. Auch er kam in russische Kriegsgefangenschaft in ein Lager in Sibirien.

Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Riga im Jahre 1921 wurde mein Ururopa sowie weitere Mitgefangenen freigelassen.
Der Zug kam direkt in den Bahnhof von Zelczyn an. Die Nachricht von der Rückkehr der Kriegsgefangenen verbreitete sich rasch im Dorf. Piotr, der Vater von Józef, spannte schnell seinen Pferdewagen an, um seinen Sohn abzuholen. Verletzter
Er fand ihn jedoch nicht und kam traurig zurück. Einige Stunden später kam ein Nachbar rennend zu ihm, und sagte, Józef würde immer noch am Bahnhof auf ihn warten. Der Vater sagte: Ich bin schon mal da gewesen. Ich habe meinen lieben Józef vergebens gesucht und ihn leider nicht gefunden.
Er fuhr jedoch trotzdem wieder zum Bahnhof. Er fand seinen Sohn, der lag auf einer Tragbahre. Er hatte ihn nicht erkannt. Sein Körper war so entstellt, Józef war Kinderdem Tode nah. Die Gefangenschaft hatte ihn völlig mitgenommen. Er war sehr krank, seine Füße waren erfroren, seine Wunden eitrig und heilten nicht.
Er starb 1923 und hinterließ seine Frau allein mit den neun Kindern.


Die Geschichte hätte ganz anders verlaufen können


Anfangs des 20. Jahrhunderts ging Józef zum Arbeiten in die USA. Er wollte, dass seine Frau Magdalena Knapik zu ihm nachkommt. Er hat ihr sogar die Schiffskarten geschickt. Die Eltern von Magdalena ließen sie jedoch nicht weggehen, sie fürchteten, dass das Schiff untergehen könnte (man sprach damals viel über den tragischen Untergang der Titanic).
Józef kam also zu seiner Frau zurück und baute ein schönes Haus in Ochodza, in der Nähe von Krakau.

 

 

Soldat

Antoni

Die Geschichte von Antoni, dem Bruder meiner Uroma Magdalena, ist kurz.
Antoni diente bei der österreichisch-ungarischen Armee.
Er verschwand bei Kämpfen an der Front.
Sein Körper wurde nie gefunden.
Man sprach nie wieder von ihm.

 

 

Bei der Kinderwebsite zeitklicks.de kannst du mehr über Auswanderung in die USA erfahren.


Text: Alicja, Schülerin der 10.Klasse vom Gymnasium Bartłomieja Nowodworskiego aus Krakau
Fotos und alte Dokumente: © Familienarchiv
Zeichnungen: Félix und Léon (Schülerredaktion Grand méchant loup)
© Grand méchant loup | Juni 2014