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Als Frauenärztin hat man nicht nur
mit kranken Menschen zu tun

Ein Gespräch der Kinderreporter des Bösen Wolfes mit der Frauenärztin Gerlinde Treptow

Demo für Frauenrechte

Die Ausbildung

Wie sind Sie dazu gekommen, Frauenärztin zu werden?

Gynäkologie (=Frauenheilkunde) ist eine spezielle Ausbildungsart in der Medizin. Facharzt nennt man das. Ende der siebziger Jahre war die Frauenbewegung ganz groß. Da haben die Frauen um die Legalisierung der Abtreibung (Paragraf 218) sehr gekämpft, auch gegen Gewalt, gegen das Patriarchat (= Männerherrschaft). Ich habe mich da in einer Frauengruppe engagiert, und am Ende des Studiums war klar, dass ich etwas mit Frauen machen würde, und da bietet sich natürlich Frauenheilkunde an.
Man hat auch nicht nur mit kranken Menschen zu tun, sondern mit ganz vielen gesunden Frauen. Sie kommen, weil sie schwanger sind oder nicht schwanger werden wollen, oder zu einer Früherkennungsuntersuchung. Es kommen auch Patientinnen mit bösartigen Erkrankungen. Frauenheilkunde ist sehr spannend und sehr anspruchsvoll.

Wie sah damals Ihr Berufsalltag aus?

Ärztin im Operationsaal

Man muss eine Facharzt-Ausbildung machen. Der Alltag war am Anfang ganz furchtbar, weil ich ganz große Angst vor dem Kreißsaal hatte. Das ist der Ort, wo die Kinder zur Welt kommen. Eine Geburt verläuft zwar meistens gut, aber wenn es nicht gut geht, ist es wirklich dramatisch.

Waren Sie auch im Operationsaal?

Ich musste im Operationsaal mithelfen, manchmal stand ich stundenlang mit Mundschutz, Haube und Kittel. Dort war es total heiß und man durfte nicht umfallen. Als Anfänger fällt man mindestens einmal in Ohnmacht. Ich natürlich auch.

Wie war es auf der Station?

Ärztin auf der Station

Auf der Station musste man die Patientinnen über ihre Krankheiten aufklären, viele Gespräche führen und oftmals auch trösten.

Gab es auch Nachtdienste?

Ganz schlimm waren die Nachtdienste. Nachts kommen auch Kinder oder Menschen, die sofort Hilfe brauchen. Das sah praktisch so aus: wir haben von 7 Uhr früh bis 15 Uhr gearbeitet. Dann begann der Bereitschaftsdienst bis morgens um 7 Uhr. Dann ging es weiter mit der Stationsarbeit, und erst nachtmittags um 15 Uhr konnte man nach Hause gehen. Und das zweimal die Woche. So sah der Alltag aus: ich habe fast nur gearbeitet und sonst geschlafen. Das war am Anfang. Nach zwei Jahren dort konnte man nach einer Nacht nach Hause gehen. Als ich meine Ausbildung beendet hatte, hab ich eine Praxis eröffnet.

Arbeit in der Gemeinschaftspraxis

Worin bestand Ihre Arbeit?

Es gab vor allem drei Schwerpunkte.

Schwangere. Vor und nach der Entbindung

Die Früherkennung oder Gesundheitsvorsorge:

Da werden Untersuchungen gemacht, die Patientinnen sind nicht unbedingt krank. Dazu gehört auch die Betreuung von Schwangeren, man testet, ob alles normal verläuft.

Die Verhütungsberatung:

Sie ist nicht nur für erwachsene Frauen gut, sondern auch für Teenager sehr zu empfehlen. Für Mädchen bedeutet der erste Kontakt mit einer Frauenärztin nicht gleich eine gynäkologische Untersuchung. Es gibt zunächst erst ein Gespräch. Ich hielt Sprechstunden für Teenies, oft kamen sie zu zweit. Es wurde nicht nur über Verhütung gesprochen, sondern auch über Menstruation, Bauchschmerzen, erste Kontakte zu Jungs. Dabei war es wichtig, den Gebrauch von Kondomen als Schutz zu betonen. Ich habe auch gesagt, bringt euren Freund mit, wenn es um Verhütung geht. Die Jungs sind seit 10 Jahren mehr aufgeschlossen und stellen auch Fragen.

Dann gab es noch die Betreuung von Krebspatientinnen.

Meistens waren es Frauen mit Brustkrebs.

Was fanden Sie gut an Ihrer Arbeit?

Ich wollte gern etwas für Frauen tun. Und die Vielfalt gefiel mir. Die Praxis war in Berlin-Kreuzberg, es gab Künstlerinnen, Schauspielerinnen, Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen, aber auch Kassiererinnen von Aldi, alle kamen in unsere Gemeinschaftspraxis. Viele Nationalitäten waren vertreten, es war bunt.

Was fanden Sie nicht gut an Ihrer Arbeit?

Ärztin mit geflüchteter Frau

Ich mochte alles. Was ich aber als belastend empfand, war die große Verantwortung für die Menschen, die mir ihr Vertrauen entgegen gebracht haben, insbesondere die Schwangeren.

Engagement für Flüchtlinge

Seitdem Gerlinde pensioniert ist, hilft sie bei der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge. Sie berichtet über ihre neuen Aufgaben. Wenn du mehr erfahren willst >>>

Interview: Clara, Chloé, Dagmara, Leopold, Manon und Zoé
Zeichnungen: Alica, Chloé und Gaïa
Text, Zeichnungen und Foto: © Grand méchant loup | Böser Wolf - Februar 2016