Wer ist eigentlich Judith Kerr?

Die spannende Geschichte einer neunjährigen Emigrantin

Wir, die Kinderredaktion der Bösen Wölfe, sind alle zur Judith-Kerr-Grundschule gegangen. Da lernt man Französisch und Deutsch gleichzeitig. Warum die Schule sich so nennt, werden wir Euch nun erklären: Judith Kerr ist jetzt eine alte Dame von über 90 Jahren, die in London lebt. Als unsere Schule nach ihr benannt wurde, gab es ein großes Fest und sie kam nach Berlin. Sie bekam sogar ein kleines rosa Plüschtier geschenkt, weil sie – als sie noch Kind war und in Berlin nicht weit von unserer Schule lebte – eines Tages flüchten musste.

Dabei musste sie alles, sogar ihre Spielsachen, zurücklassen. Später schrieb sie ihre Geschichte in mehreren Büchern auf, und ihr erstes Buch nannte sie „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, Aber in ihrem Buch heißt das kleine Mädchen Anna und nicht Judith. Sie lebt in Berlin und die Geschichte spielt 1932, als sie 9 Jahre alt ist. Ihr Vater ist sehr bekannt, weil er für Zeitungen zeitkritische Texte schreibt – auch über die Nazis.

Sie sind Juden, aber sie sind nicht religiös. Der Vater verlässt heimlich Deutschland und seine Familie folgt ihm kurz darauf. Es ist kurz vor Hitlers Machtergreifung, und sie haben Angst, ins Gefängnis zu kommen. Sie gehen deshalb in die Schweiz und lassen ihr Dienstmädchen zurück, das ihnen später folgen soll. Bevor sie gehen, sollen die Kinder darüber nachdenken, was sie mitnehmen möchten. Anna zögert: Sie kann sich zwischen ihrem rosa Kaninchen und ihrem Plüschhund nicht entscheiden. Schließlich nimmt sie ihren Hund mit.


In der Schweiz wohnen sie in einem Hotel. Sie erhalten einen Brief von ihrem Dienstmädchen, das ihnen erzählt, dass die Nazis alles mitgenommen haben. Anna weiß, dass sie auch ihr rosa Kaninchen genommen haben und Max, ihr Bruder, stellt sich vor, wie Hitler gerade „Dame“ auf seinem Spielbrett spielt, das er mit anderen Spielsachen in Berlin gelassen hat.


Im Hotel haben sie nicht nur Freunde. Auch dort gibt es Menschen, die Hitler gut finden. Anna feiert ihren 10. Geburtstag auf einem Boot. Die Familie bleibt fast ein Jahr in der Schweiz; danach gehen sie nach Paris. Anna und ihr Bruder sprechen kein einziges Wort Französisch. Ihr Vater hat bei einer kleinen Zeitung Arbeit gefunden, die ihm aber nicht viel Geld bringt. Sie leben in einer winzig kleinen Wohnung und haben kaum Geld, um zu leben oder um sich Kleidung zu kaufen.


Anna und Max müssen Französisch lernen. Sie gehen in Paris in die Schule. Anna versteht fast gar nichts. Einmal versucht sie zu begreifen, was ihre Mitschüler machen: Sie singen und zeichnen Könige und Königinnen. Nach der Schulstunde versteht sie erst, dass es Geschichtsunterricht war. Einmal feiern sie den französischen Nationaltag am 14. Juli mit ihren Freunden, die sie  ins Restaurant einladen. Anna weiß nicht, was sie bestellen soll, weil sie die Karte nicht versteht. Also bestellen ihr Vater und sein Freund Schnecken für die Kinder. Und es schmeckt ihnen sehr gut. Wir können uns nicht vorstellen, Schnecken zu essen, aber Anna hat sogar die Schnecken von ihrem Vater gegessen.


Sie versteht Französisch immer besser, aber die Sprache bleibt trotzdem ein Problem für sie und sie macht sehr viele Fehler beim Diktat. Und dann eines Tages bemerkt sie, dass sie, ohne stecken zu bleiben, französisch spricht und nicht ins Deutsche übersetzen muss. Von da an fühlt sie sich besser. Ein Jahr später müssen sie nach England auswandern, wo ihr Vater arbeiten wird. Am Bahnhof legt der Kofferträger ihr Gepäck jedoch in ein falsches Taxi. Schließlich finden sie ihr Gepäck wieder – nur die Koffer der Kinder nicht.


Wir können uns nicht vorstellen, in ein Land zu ziehen, in dem wir die Sprache nicht verstehen.

 

Text: Emil, Clara, Joyeux, Jean-Victor und Corinne

Zeichnungen: Emil, Clara, Jean-Victor und Joyeux

© Grand méchant loup | Böser Wolf - 2006, aktualisiert 2015

 



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