Neuen Kommentar schreiben

Berliner Luftbrücke: Kinderalltag

Deutsch
Europakarte mit Berlin. Ein CARE-Paket voll Lebensmittel aus den USA

Kinderalltag während der Berliner Luftbrücke (1948-49)

Mädchen mit Schuhen unter den Armen Die Kinderreporter des Bösen Wolfes haben viele Zeitzeugen über ihren Alltag nach dem Zweiten Weltkrieg befragt.

Zweimal zwei Stunden Strom pro Tag

Angst vor der Dunkelheit
Ich war damals ein junges Mädchen, 14, 15 Jahre alt. Ich hatte große Angst im Dunkeln nach Hause zu kommen. Die Straßen waren abwechselnd nur auf einer Seite beleuchtet. Weil ich vier Stockwerke ohne Licht hoch laufen musste, habe ich immer unten die Schuhe ausgezogen und die Schlüssel in der Hand gehalten. Falls einer sich irgendwo versteckt hätte.

Kochen, wenn es Strom gab, manchmal nachts
Für meine Mutter war es auch schlimm mit dem Kochen. Das Essen musste sie vorbereiten, wenn es Licht gab. Oft hat sie das Essen nachts um zwei gekocht. Dann hat sie den Topf mit Zeitungspapier umwickelt ins Bett gestellt. So hatten wir am nächsten Tag etwas Warmes zu essen. Wir konnten es nicht warm machen. Die Kohle war wie vieles auch rationiert.  (Zeitzeuge, damals Kind)

Das Essen musste sie vorbereiten, wenn es Licht gab. Oft hat sie das Essen nachts um 2 gekocht. Schulaufgaben um zwei Uhr nachts
Im Winter war es früh dunkel und wir hatten ganz selten Strom. Wenn der Strom manchmal um zwei Uhr nachts anging, standen wir auf, ich machte meine Schulaufgaben, meine Mutter kochte und bügelte. (Zeitzeugin, damals Kind)

Licht und Gas wurden rationiert
Man durfte nur eine bestimmte Menge Gas verbrauchen. Dafür gab es eine Gasuhr. (Mercedes, damals 7-8 Jahre alt)

Kohle war knapp und der Winter sehr kalt

Die Freude, etwas Kohle nach Hause bringen zu können.Lastwagen mit Kohle beladen
Die Amerikaner hatten riesige LKWs, Sattelschlepper, und die wurden voll mit Kohle beladen. Und wir Kinder wohnten in einer Nebenstraße und da war gerade so eine Kurve.  Die Amerikaner fuhren schnell mit ihren Fahrzeugen, und da haben wir Kinder schön gesessen und gewartet. Und wenn Kohle runter fiel, haben wir sie aufgesammelt. (Zeitzeugin, damals Kind)

Ziegelsteine als Wärmeflasche
Wir haben sehr gefroren. Selbst die Betten waren gefroren. Solange der Ofen in der Küche noch heiß war, hat man Ziegelsteine daran gelegt. Dann wurden die in Papier eingewickelt und mit ins Bett genommen. (Horst, damals 8 Jahre alt)

Teilweise fehlten die Fensterscheiben
Es war kalt im Winter. Wir haben Papier vor die Fenster geklebt. Wir hatten einen kleinen Ofen, der wurde mit Kohle angeheizt, wir haben uns davor versammelt. Jedes Stück Holz wurde verheizt. (Mercedes, damals 7-8 Jahre alt)

Es gab wenig zu essen während der Blockade

Kartoffelchips, Gemüse, alles getrocknet
Familie packt ein CARE-Paket ausEine Aufgabe der Alliierten war, uns mit Brot zu versorgen, auch mit Backwaren. Und das haben auch die Russen von Anfang an gemacht. Nebenan gab es einen Bäcker, er wurde um drei Uhr nachts mit Mehl und Hefe beliefert. Es gab auch Frischmilch für Babys.
Wir haben ein CARE-Paket bekommen. Darin waren Kartoffelchips, Gemüse, alles getrocknet. Sonst gab es Lebensmittelkarten. Da weder meine Mutter noch meine Großmutter arbeiten konnten, war es die niedrigste Stufe mit geringer Ration. Deshalb waren wir auch auf unsere Hühnereier angewiesen, die haben wir teilweise bei einem Fleischer eingetauscht;  das Fleisch war für unseren Kater bestimmt, auch er musste überleben. Die Tiere waren schon früher da. Sie gehörten dazu.
Wir Kinder bekamen eine extra Ration aus Küchen, die vom schwedischen Roten Kreuz organisiert waren. Man kriegte eine Zehnerkarte und konnte zehnmal essen gehen, aber nur die Kinder. (Mercedes, damals 7-8 JahrCARE-Paket aus dem Alliierten Museum in Berline alt)

Kartoffeln um Mitternacht
Als Kind ist man satt geworden. Allerdings: als mein Vater einmal  in der Nacht mit Kartoffeln  zurückgekommen ist, sind wir alle aufgestanden und haben um Mitternacht Kartoffeln gegessen. Man hatte einfach Hunger.
Es gab viele Sachen, die man überhaupt nicht kannte, also haben die uns nicht gefehlt. Apfelsinen, Bananen, die habe ich das erste Mal gesehen, als ich vielleicht zehn Jahre alt war. (Horst, damals 8 Jahre alt)

Im Park stand ein ausgebrannter Panzer. Wir haben drin gespielt. Wenn man spielt, merkt man den Hunger nicht
Wir waren drei Kinder. Wir haben nicht genug zu essen gehabt, aber man hat das so hingenommen. Meine Mutter musste sehen, wie sie das machte. Wenn wir also aus der Schule kamen und gefragt haben, wann gibt es denn Mittagessen, hat sie gesagt: „Geht mal noch raus spielen“. Und als wir erwachsen waren, hat sie gesagt, sie hat es hinausgezögert, damit wir nicht so schnell wieder Hunger haben. (Zeitzeugin, damals Kind)

Die Spielplätze nach dem Krieg

Die Ruinen waren unsere Spielplätze, der Tod war immer anwesend

Auf Schatzsuche
Die Ruinen waren unsere Spielplätze, ich bin auch immer mit den anderen geklettert, bis ein Klassenkamerad tödlich abgestürzt ist. Wir haben Altmetall herausgeholt, alles, was noch einen Wert hatte. Manchmal haben wir Spielzeug von Kindern gefunden, die wahrscheinlich gestorben sind. (Mercedes, damals 7-8 Jahre alt)

Es war unheimlich interessant, in den Ruinen herumzutoben. Im Park stand ein ausgebrannter Panzer. Wir haben drin gespielt. Oder in einem Bomben-Trichter, das war unser Buddelkasten. (Horst, damals 8 Jahre alt)

Der Schwarzmarkt während der Blockade

Heimliche Tauschgeschäfte mit Überraschungen
MeinEinschulung nach dem Krieg mit zwei verschiedenen Schuhgrößene Mutter hatte noch Vorkriegszigaretten, die hat sie auch umgetauscht, auch für Hühnerfutter, also Körner. Viele Berliner hatten im Hof oder auf dem Balkon Hühner oder Kaninchen, dadurch gab es auch eine Nachfrage.
Der Schwarzmarkt wurde von der amerikanischen Polizei nicht toleriert, es wurden Razzien durchgeführt. Meine Mutter hatte für mich 1947 Stiefel eingetauscht. Da kam die Polizei, die Leute mussten auf einen Lastwagen, wir konnten uns noch in einer Apotheke verstecken. Als meine Mutter zu Hause die Tüte aufmachte, stellten wir fest, es waren zwei verschiedene Größen. Man kann es noch auf meinem Einschulungsbild sehen. (Mercedes, damals 7-8 Jahre alt)   
Mein Vater ist mit einem Rucksack ins Umland gefahren, wo die Bauernhöfe waren. Und er hat Tauschobjekte mitgenommen, wie Uhren, Schmuck, Teppiche, alles was man gegen Lebensmittel eintauschen konnte. (Horst, damals 8 Jahre alt)

Weihnachten 1948

Einmal satt essenIndianerschmuck
1948 hatten wir zwei Tannenbäume. Ein Nachbar brachte einen und kriegte etwas dafür. Dann kam ein Bauer und brachte uns Lebensmittel und auch einen Tannenbaum. Er nahm dafür Silbersachen, Bettwäsche und Tischdecken. An diesem Weihnachten hatten wir auch eine Gans. Die hatten wir tot, aber noch mit Federn bekommen. Die musste man rupfen und die Speiseröhre rausnehmen. Die  haben wir getrocknet und als Dose für Erbsen benutzt. Aus den langen TannenbaumFedern hat sich ein Nachbarjunge Indianerschmuck gemacht. (Mercedes, damals 7-8 Jahre alt) 

Es gab einen Baum und Geschenke. Man hat warm gesessen. Weil die Mutter einen Kuchen backen konnte, war es schon ein Geschenk. (Horst, damals 8 Jahre alt)

Interview: Chloé, Dagmara, Elsa, Emmanuelle, Gaïa, Mathilde, Natalia und Rosalie
Zeichnungen: Gaïa, Natalia, Rosalie und Simon
Text, Zeichnungen © Grand méchant loup | Böser Wolf
Fotos: CARE-Paket © AlliiertenMuseum Berlin
Foto: Mädchen mit Schultüte © Mercedes Wild

 

CARE-Paket während der Berliner Luftbrücke